Jeder Krieg braucht Kommunikation
Die Bösen Wölfe sind ins Kommunikationsmuseum Berlin gegangen und haben mit Thomas Jander gesprochen, der eine Ausstellung über den Ersten Weltkrieg bereitet
Kommunikationsmittel vor 100 Jahren
Konnte man damals schon telefonieren?
1914 war Telefonieren in Deutschland und in den USA schon recht verbreitet, beide Länder hatten die größten Telefonnetze der Welt. Telefone hatten Behörden, Geschäftsleute oder reiche Privatleute, die sich das leisten konnten.
Telefonieren war in der Zeit nicht ganz billig, auch einen Anschluss zu erhalten war teuer. Meistens gab es Telefonverbindungen in den Städten. Überlandleitungen oder Kabel zwischen Kontinenten waren noch nicht sehr verbreitet.
Hat man auch Telegramme geschickt?
Ja. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts konnte man sich Telegramme schicken, telegraphieren war damals eine sehr revolutionäre Technik. Man konnte aber nur ganz kurze Texte schreiben.
Haben die Menschen häufiger Briefe geschickt als heute?
Ja, weil sie kein anderes Kommunikationsmittel hatten. Sie schrieben nicht nur zu Anlässen wie Feiertage oder Geburtstage. Lange ausführliche Briefe an die weit weg lebenden Familienmitglieder und Freunde konnten so manches direkte Gespräch ersetzen.
Wie wurde die Post transportiert?
Die Briefe wurden in der Regel mit der Eisenbahn transportiert. Heutzutage ist die Beförderung mit dem Postflugzeug selbstverständlich.
Pferde haben auch Post transportiert, in manchen ländlichen Gebieten Frankreichs war der Briefträger manchmal mit Hundewagen unterwegs.
Wurden Zeitungen überhaupt viel gelesen und wer las sie? Waren die Zeitungen teuer?
Zeitungen waren sehr weit verbreitet und die einzige offizielle Nachrichtenquelle, da es noch kein Radio oder Fernsehen gab. Daher haben fast alle Leute Zeitungen gelesen, es gab viel mehr Zeitungen als heute, oft sogar zwei Ausgaben an einem Tag, als Morgen- und Abendblatt. Zudem etlich Sonderausgaben, auch als Plakatanschlag an Litfasssäulen. Viele Soldaten an der Front haben sich Zeitungen schicken lassen. Die Preise waren sehr erschwinglich, Zeitungen kosteten nur wenige Pfennige.
Litfasssäule >
Kommunikation in Kriegszeiten
Wie wichtig ist Kommunikation in Kriegszeiten?
Krieg bedeutet immer ein riesengroßes Räderwerk, das in Bewegung gehalten werden muss. Nicht nur Massen von Menschen, sondern auch Waffen und anderes Material mussten von einem Ort zum anderen transportiert werden. Um sicherzustellen, dass das, was an einem bestimmten Ort ankommen soll auch dort ankommt, müssen die Menschen in irgendeiner Form miteinander kommunizieren. Egal ob per Telegraph, Telefon, Brief oder per Brieftaube, wenn diese Verbindungen abreißen, funktioniert diese große Kriegsmaschinerie nicht mehr richtig. Das ist häufig passiert.
Wie haben die Leute auf dem Lande erfahren, dass der Krieg ausgebrochen ist?
Jedes Postamt wurde am 2. August 1914 in Kenntnis darüber gesetzt, dass jetzt die Mobilmachung zu erfolgen hat, weil natürlich in jedem Dorf Männer zur Armee mussten. In jedem Postamt gab es einen großen Aushang mit der Bekanntmachung der Mobilmachung. Sonst erhielten die Männer auch Post von den Militärbehörden. Und die Zeitungen haben auch darüber berichtet.
In ganz abgelegenen Orten wusste man vielleicht lange nichts vom Krieg. Wer so isoliert wohnte, lebte in der Regel von seiner eigenen Landwirtschaft. Bis irgendjemand kam und die Pferde oder die Ernte beschlagnahmte. Es gab im Krieg einen großen Bedarf an Nutztieren und Nahrungsmitteln.
Wie wurde die Mobilmachung in den polnischen Gebieten bekanntgemacht?
Da die Amtssprache im Deutschen Kaiserreich eben Deutsch war, hat es meines Wissens keine Mobilmachungsaufrufe auf Polnisch in Schlesien, Pommern oder Ostpreußen gegeben. Anders war es in Österreich-Ungarn, das als Vielvölkerreich offizielle Dokumente in vielen Sprachen publizieren musste.
In Frankreich: Bereits am 1. August wurde die französische Bevölkerung über die Bekanntmachung der Generalmobilmachung durch Plakate in jeder Gemeinde informiert. Um 16 h läuteten alle Kirchen- und Turmglocken Frankreichs. Polizisten zu Pferde oder in Automobilen brachten die Nachricht zu abgelegenen Gemeinden, die wiederum Boten zu ganz abgeschiedenen Dörfchen schickten.
Die Soldaten und ihre Familien
Wie wichtig war der Kontakt zwischen den Soldaten und ihren Familien?
Die Kommunikation zwischen den an der Front kämpfenden Soldaten und ihren Familien war sehr wichtig, denn normalerweise redet man am Tag oder am Abendbrottisch miteinander. Das konnten sie über viele Jahre nicht mehr tun. Die Sorgen der Angehörigen um ihre fernen Nächsten konnten aber durch ein Lebenszeichen gemildert werden.
Gab es billigere Briefmarken für die Soldaten?
Die Briefe von der oder an die Front wurden nicht frankiert, das war komplett umsonst.
Wurden die Briefe kontrolliert?
Eine bestimmte Geheimhaltung musste natürlich beachtet werden. Die Briefe wurden deshalb entweder direkt offen bei den Offizieren abgegeben oder sie wurden von Kontrollstellen anonym geprüft. Und wenn etwas in einem Brief stand, von dem der Offizier meinte, das hätte nicht geschrieben werden dürfen, dann kam man eventuell vor ein Gericht.
Wie wurden die Briefe zu den Soldaten gebracht?
Die Briefe wurden mit der Bahn transportiert. Schwierigkeiten gab es meistens erst, wenn sie die Schienen verlassen haben, wenn sie auf kleine Wagen oder auf Pferdegespanne umgepackt wurden. Die Soldaten waren auch nicht immer am selben Standort. Und die Briefe waren sehr häufig falsch adressiert. Im Ersten Weltkrieg hatten die Standorte sehr genaue Bezeichnungen: Armee, Division, Bataillon, Compagnie, und noch irgendwelche Abteilungen… Die Leute zu Hause wußten das nicht immer so genau. Ein sehr großer Teil ist angekommen, aber Verluste gab es. Nicht selten wurden Pakete und dicke Briefe geraubt, die Soldaten in die Heimat geschickt haben.
Was enthielten die Pakete, die deutsche Soldaten nach Deutschland geschickt haben?
Die Pakete wurden zunächst von Deutschland an die Front geschickt und enthielten alles: von kleinen Kleidungsstücken bis zu Nahrungsmitteln. Hygiene-Artikeln oder Bücher - kurz: Alles, was Soldaten an der Front nicht kaufen konnten. Im Gegenzug schicken die Soldaten per Postanweisung das Geld, das sie an der Front nicht ausgeben konnten, nach Hause. Die Pakete wurden 'Liebesgaben' genannt. Als es in Deutschland ab 1917 immer weniger Nahrungsmittel gab, wurden mehr Pakete von der Front an die Heimat geschickt.
Konnte man in Kriegszeiten überall telefonieren?
Nicht überall. Die Leitungen waren nicht gut genug, das Deutsche Reich hatte Fronten weit im Westen und weit im Osten, das waren tausende von Kilometern, die überbrückt werden mussten.
Hat man auch im Schützengraben telefoniert?
Im Ersten Weltkrieg war das erste Mal der Fall, dass direkt vorne in der Kampfzone die Kanonen nicht mehr wussten, wo sie hinschießen. Also gibt es Leute, die in Ballons oder in vorgeschobenen Löchern sitzen und den Feind mit Ferngläsern beobachten und dann übers Telefon sagen, dort und dort und dort und dort.
Telefonieren auf dem Schlachtfeld
Hat man auch schon Nachrichten im Kino gesehen?
Ja. Berichterstatter sind an die Front gereist, aber entweder durften sie nicht in den Kriegsgebieten, weil es für sie zu gefährlich war. Oder sie durften den Krieg nicht so zeigen. Die Wochenschauen bestanden aus 5, 6, 7 Minuten. Man sah Königsempfänge irgendwo und andere offiziellen Empfänge, und einige Bilder von der Front, die nachgestellt waren. Die wahren Kriegsbilder kriegte man im Kino nicht zu sehen. Das haben die Menschen auch sehr schnell begriffen.
Tiere als Bote
Früher gab es Brieftauben. Gab es sie auch im Ersten Weltkrieg?
Aber ja. In Kriegszeiten war es oft die einzige Möglichkeit, die Soldaten zu erreichen. Telefonieren und telegrafieren konnte man damals nur über Drähte. Du brauchtest zwischen dem einen und dem andern Apparat eine Leitung. Wenn sie zerschossen wurde - und das wurde häufig getan – setzte man das unmoderne Mittel Brieftauben ein. Das war nicht ganz einfach, weil die Tauben sich natürlich orientieren mussten.
Wurden noch andere Tiere benutzt?
Ja, zum Beispiel Hunde. Tauben hat man für lange Distanzen benutzt, weil sie sich relativ gut zurecht finden. Hunden hat man – wie bei Brieftauben - ein Halsband umgebunden, ebenfalls mit kleinen Kapseln und dort wurden Meldungen reingetan. Wenn man sich im Bereich von drei, vier Kilometern über unübersichtliches Gelände nicht mehr mit menschlichen Meldern zurechtgefunden hat, dann hat man Hunde zwischen den Gräben hin- und hergeschickt. Und es sind dabei sehr viele verletzt worden und gestorben. Und wenn dem Hund das Bein abgerissen wird, ist es ja nicht so schlimm wie bei einem Menschen. So hatte man gedacht.
Heute
Wie kommunizieren die Soldaten heute?
Im Prinzip mit denselben Mitteln, die ihr benutzt. Sie schreiben Emails, SMS, aber immer noch Briefe. Sie skypen, sie machen alles, was sie können und dürfen. Außerhalb des Sprechfunkens und des digitalen Kommunizierens, ist alles, was heute genuztz wird, schon damals genuzt.
Interview: Emmanuelle, Gaia, Julienne und Leopold
Zeichnungen: Alina, Chloe, Clara, Dagmara, David, Felix und Gaia
Foto « Telefonieren auf dem Schlachtfeld » @ Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Interview, Zeichnungen und sonstiges Material @ Böser Wolf |März 2014
Die Ausstellung im Kommunikationsmuseim Berlin findet vom 9. Mai bis zum 17. August statt