Ich möchte gern, dass mich ein Foto berührt...

Eine Begegnung mit Julia Fassbender,

Fotografin der Bundeskanzlerin


 

Der Grand méchant loup war im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, kurz BPA, und hat mit Julia Fassbender gesprochen, die seit vielen Jahren Fotografin und fotographische Beraterin der Bundeskanzlerin ist.

 

Werden Politiker geschminkt, wenn Sie sie fotografieren?
Wenn der Kanzler oder ein Minister ein Interview für das Fernsehen gibt, dann geht er in die Maske, er wird geschminkt. Das ist bei allen Leuten so, das Licht beim Fernsehen ist ein ganz anderes als beim Fotografieren. Ansonsten sind die Politiker natürlich nicht geschminkt.


Was ist genau Ihre Arbeit?
Der Hauptteil meiner Arbeit besteht in der Vorbereitung seiner Reisen unter bildlichen Aspekten. Das heißt, bei der Planung überlegen wir uns, wo stellen wir die Fotografen und Kameraleute hin, wie achten wir darauf, dass die etwas sehen können, wenn der Kanzler eine Rede hält oder ein Werk besichtigt. Wenn 20, 30 Fotografen oder Kameraleute den Kanzler aufnehmen wollen, dann kann man das nicht einfach so laufen lassen, weil sonst zwei, drei, die gut drängeln können, Bilder haben und die anderen nicht. Deshalb wollen wir das immer so einrichten, dass sich alle in Ruhe vorbereiten können und dann aber auch das Geschehen so abläuft, dass es zu einem Bild kommt. Das finde ich total spannend.

Macht es Ihnen Spaß, eine berühmte Person zu fotografieren?
Ja, sehr. Als Fotograf ist man ja schon relativ nah dran. Wenn man den Kanzler, den Bundespräsidenten oder den Außenminister begleitet, dann ist man manchmal eine Woche zusammen unterwegs. Man kriegt also mehr mit, als wenn man sie nur im Fernsehen sieht.


Ist es nicht langweilig, immer dieselbe Person zu fotografieren?
Die Perspektiven ändern sich. Das Interesse an Shakehands z.B., also wenn zwei Politiker sich die Hände schütteln, ist auch nicht mehr so riesig, man sieht es nicht mehr so oft gedruckt. Der Trend geht dahin, dass man die Leute in ihrer Umgebung sieht, dass man also lebendigere Fotos macht.


Sind die Fotos echt oder werden sie verschönert?
Fotos werden nicht verschönert bei uns. Wir wissen alle, dass man heute viel machen kann mit Fotos. In der Werbung wird auch viel verändert, das machen wir nicht, auf gar keinen Fall. In Fotoagenturen kriegt man dafür eine Abmahnung, das ist der erste Schritt, rausgeschmissen zu werden. Wir machen nur die Veränderungen, die man auch früher beim Fotografieren auf Film machte, z.B. einen Ausschnitt aus einem Bild nehmen oder einen Fussel wegmachen, aber nichts mit Fältchen weg oder Verschönerung, das machen wir nicht.

Ist es leichter für Sie, wenn Sie den Menschen nett finden?
Das ist eine gute Frage. Jeder, den ich fotografiere, interessiert mich rein visuell in dem Moment, wo ich ihn fotografiere. Das läuft vollkommen intuitiv, das kommt alles hier aus dem Bauch und von meinen Erfahrungen. Aber ich würde nicht jemanden besser oder schlechter fotografieren, weil ich ihn nett finde oder nicht.

        

        

         Emilia, Alina, Sidney et David

Was ist ein gutes Foto, was ist ein schlechtes Foto?
Ein gutes Foto ist ein Foto, das den Betrachter erreicht, das den Betrachter berührt. Er muss jetzt gar nicht viel dazu wissen. Oder das Foto ist im Zusammenhang mit dem Text gut, man sieht, das Foto spiegelt den Text wider. Ein schlechtes Foto ist ein Foto, das man nicht begreift oder das langweilig ist, das man schon tausendmal gesehen hat. Für mich ist es so, ich möchte gern, dass mich ein Foto berührt, dass mir das etwas sagt, dass ich ein Foto stundenlang angucken möchte.


Was muss man studieren, um es zu einer Fotografin zu bringen?
Ihr werdet lachen, ich habe gar nicht studiert. Nach meinem Abitur wusste ich sofort, ich möchte Fotografin werden, Pressefotografin. Ich habe dann volontiert, d. h., ich bin in eine Fotoagentur gegangen, in der wir Politik und Sport gemacht haben und habe das Ganze gelernt, also zwei Jahre lang 80 Stunden in der Woche arbeiten, zwei Jahre lang Filme entwickeln, im Schwarzweißlabor die Fotos vergrößern, telefonieren, archivieren, zu den Terminen gehen, ein Gefühl für die ganze Fotografie entwickeln. Ich glaube, was einen guten Fotografen ausmacht, ist nicht unbedingt sein Zeugnis oder das Papier, sondern das Talent und die Intuition für ein gutes Bild. Dass man ein Gespür dafür entwickelt, was geschehen wird.


Muss ein Fotograf wie ein Hellseher sein?

Ja, vielleicht. Durch die Erfahrung kannst du manchmal ahnen,was geschehen wird. Dann bist du auch gut, dann bist du schnell, weil die Fototermine oft nur eine Minute dauern. Manchmal entstehen die besten Bilder in einem Bruchteil einer Sekunde.


Was mögen Sie nicht an Ihrer Arbeit?
Also, du musst viele Talente haben, um ein guter Fotograf zu sein, und du musst deinen Job lieben. In meinem Job muss ich gern reisen wollen, weil ich rund 70 Tage im Jahr in der Welt unterwegs bin. Das muss man auch mit seinem Privatleben in Verbindung bringen können, das ist manchmal nicht so einfach, weil der Freundeskreis darunter leidet.

Wer macht bei Ihnen privat die Fotos?
Mein Mann hat seine Kamera nach zwei Jahren an seine Schwester verschenkt. Aber wenn er mal fotografiert, sind die Bilder wirklich Klasse!

 

          Interview: Emilia, Alina, Sidney und David (10 ans) 
Text & Fotos: © Grand méchant loup | Böser Wolf - 2005 | www.boeser-wolf.schule.de