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Annedore Barthel ist Tierärztin in Berlin. Sie spricht mit den Bösen Wölfen über
ihren Alltag mit Tieren und Tierhaltern und mehr…

Hundehalter

Verschiedene Berufe mit Tieren

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Tierärztin zu werden?

Ich wollte etwas mit Tieren machen. Ich bin immer geritten und ich wollte immer einen Hund haben. Aber meine Eltern wollten nicht. Ich dachte, Tierärztin wäre ideal.

Behandeln Sie alle Tiere?

Nur Kleintiere: 70% Katzen, 20% Hunde und der Rest sind Säugetiere, die im Käfig sitzen wie Hamster, Meerschweinchen, Kaninchen, Ratten, Tanzmäuse.

Kleintiere

Wer kümmert sich um die anderen Tiere?

Da gibt es Spezialisten. Für Kühe und Schweine oder Pferde oder Fische oder Reptilien (Schildkröten, Frösche, Schlangen) oder Vögel. Aber auch für bestimmte Krankheiten: als Tieraugenarzt für alle Tiere. Es gibt auch Tierärzte für Tierseuchen, wie z. B. bei Vogelgrippe. Oder Tierchirurg. Oder Zootierarzt. Auch Tierarzt bei der Lebensmittelüberwachung. Oder Amtstierarzt, wenn z. B. Tiere misshandelt werden. Man kann auch an der Uni unterrichten. Also man muss nicht nur in einer Praxis arbeiten.


Tierarzt werden: das Studium

Abi-Noten

Wie sieht das Studium aus?

Fast 80% der Studenten sind Frauen.

Erstmal brauchst du eine sehr gute Abi-Note, unter 2 hast du schlechte Karten. Das Studium dauert fünfeinhalb Jahre. Und dann kannst du dich spezialisieren.

Ist es eher ein Beruf für Männer oder für Frauen?

Fast 80% der Studenten sind Frauen. Aber wenn du Familie haben willst, ist es ein Beruf, wo du es dir gut überlegen musst. Den ganzen Tag hast du keine Zeit für etwas anderes.


Alltag in der Tierpraxis

Wie viele Stunden sind Sie im Durchschnitt in Ihrer Praxis?

Mit Büroarbeiten sind es höchstens 8 Stunden am Tag. Aber da es eine kleine Praxis ist, muss man sehr flexibel sein. Es richtet sich ein bisschen nach den Fällen, nachts kannst du dich auch entscheiden, ob du dich wecken lassen willst. Aber in Berlin gibt es gute Notdienste und Kliniken. Sprechstunde habe ich vormittags und nachmittags. Termine, die länger dauern (z.B. Hunde- und Katzenkastration) lege ich in die Mittagspause.

Was haben Sie zum Beispiel heute Vormittag gemacht?

Krallen schneiden einer Katze

Ich hatte eine Katze zum Krallen schneiden. Bei Katzen wachsen die Krallen rund und, wenn alte Tiere sie nicht mehr pflegen, wachsen die Krallen wieder rein. Sie laufen dann immer auf diesen pickenden Krallen.
Dann gucke ich, ob das Tier gesund aussieht, höre das Herz ab. Und ich habe festgestellt, dass sein Herz ganz unregelmäßig schlug. Dann muss eine Ultraschalluntersuchung gemacht werden, dafür überweise ich ihn an eine größere Praxis.
Dann hatte ich einen Kater, der seit 3 Jahren nicht geimpft worden war. Nun hatte er einen Schnupfen, eine Art Grippevirus mit Fieber, die Nase war dicht, die Augen tränten, er kriegte dann Medikamente.
Dann habe ich einen Hund geimpft, dann zwischendurch kamen Besitzer und holten Medikamente für ihre Tiere, die regelmäßig etwas nehmen, oder Spezialfutter, zum Beispiel wenn ein Tier allergisch ist, oder wenn die Nieren kaputt sind.
Spritze, Thermometer, Stethoskope Dann gab es eine Verletzung, das kommt in der Regel nur bei Katzen vor, die rausgehen. Sie beißen sich, sie hauen sich, sie fallen runter. Und wenn sie eine Verletzung haben, lecken sie das so sauber, dass man das nicht mehr sieht, und nach 3 Tagen fängt es an zu eitern, es riecht so und wird dick. Ich mache das sauber, es wird geschnitten, gespült, die Katze kriegt Antibiotika für ein paar Tage. Bei Katzen heilt fast alles, sie haben ein sehr gutes Immunsystem.
Du hast viel mit Tieren zu tun, aber nicht nur zum Kuscheln, du untersuchst sie, du spritzt sie, du tust ihnen auch weh, und nicht alle Tiere sehen das ein. Also beißen sie dich manchmal, Katzen wollen das auch nicht, man muss sich schützen, denn die Katzen greifen frontal an. Es ist natürlich niedlich, wenn jemand mit einem Welpen kommt, oder Babykatzen, dann kuscheln wir immer, es ist aber nicht der eigentliche Beruf.

Komisches aus der Tierarztpraxis

Manchmal fressen Katzen Gummis. Eine hatte 5 Haargummis im Bauch. Der Katze ging es nicht gut, sie musste sich immer übergeben. Sie musste operiert werden, um die Gummis rauszuholen. Ich habe auch schon ein Radiergummi rausgeholt, auch einen halben Schnuller. Die Katze hat die Milchflasche vom Baby abgeleckt und den Schnuller mitgefressen.
Hund mit Tennisbällen im Magen Hunde machen auch gern Sachen kaputt und fressen sie auf. Ein Schäferhund hat Tennisbälle verschluckt, wir haben Aufnahmen gemacht, er hatte drei Tennisbälle im Magen, er hat dann immer weniger gefressen, weil nichts mehr reinpasste. Und die Bälle können nicht mehr raus. Da musste er auch operiert werden. Manchmal fressen Hunde Kastanien und es kommt auch nicht mehr raus und der Hund kann daran sterben. Gerade bei Welpen muss man aufpassen, dass sie keine Legosteine fressen.

Patientenbesitzer

Spricht man auch bei den Tieren von Patienten?

Hund und Besitzer

Ja, auch von Patientenbesitzer oder Tierhalter. Man muss nicht nur mit dem Hund umgehen, sondern auch mit dem Besitzer. Der Hund kann nicht sagen, ich habe Bauchschmerzen. Der Besitzer muss ganz genau beobachten, sagen, er ist müder als sonst oder frisst nicht mehr oder trinkt so viel… Aus dieser Beobachtung kann man erschließen, was wo liegt. Dann untersucht man die Augen, ob sie eitrig sind, ob er gut atmen kann oder kaum Luft kriegt. Oder steht er auf drei Beinen und das bedeutet, das vierte tut wahrscheinlich weh. Man kann auch Fieber messen oder Blutwerte untersuchen. Aber wenn der Besitzer gar nichts weiß, ist es ganz schwierig. Man muss versuchen, ein bisschen nett sein zu den Leuten, auch wenn man denkt, der Hund hätte schon vor 3 Wochen kommen müssen. Also, man muss auch Spaß daran haben, mit Menschen umzugehen.


Was mögen Sie | Was mögen Sie nicht

Was mögen Sie am meisten an Ihrem Beruf?

Hund und Besitzer

Dass er sehr abwechslungsreich ist. Jeden Tag hat man mit ganz viel verschiedenen Leuten zu tun, junge, alte, nette, nicht so nette, erfahrene oder nicht. Also macht man auch viel Beratung. Haustierarzt heißt, dass du von allem ein bisschen machst. Impfen, kastrieren, Ohren saubermachen, es ist nie langweilig. Mit der Zeit kennt man den Besitzer und den Hund, man hat also sehr viele persönliche Kontakte zu Menschen.

Was mögen Sie am wenigsten an Ihrem Beruf?

Du magst Tiere und deshalb heilst du sie. In der Ausbildung lernst du nichts Kaufmännisches. Ich heile deinen Hund und ich muss sagen, was es kostet. Und der Besitzer sagt, ich habe aber kein Geld. Der Hund muss trotzdem geheilt werden. Der Besitzer sagt, ich zahle in Raten, du kriegst die erste aber nicht die anderen. Du weißt, das und das müsste gemacht werden, geht aber wegen Geldmangel nicht. Es ist ein Geschäft und du musst davon leben und das fällt mir schwer, gerade bei Leuten, wo ich weiß, sie haben wirklich nicht viel.

Krankheiten und Medikamente

Haben Tiere die gleichen Krankheiten wie Menschen?

Zu 80% ja, manche Sachen wie Herzinfarkt, Schlaganfall kommen aber nicht vor. Es hängt mit unseren Blutgefäßen zusammen, die zuwachsen und verstopfen, auch mit unserer Ernährung. Hunde und Katzen können fast alles kriegen, was wir kriegen, also Krebs oder Nierenkrankheiten. Es gibt Krankheiten, die nur bei bestimmten Tieren vorkommen und andere, die alle, auch Menschen, kriegen können wie Tollwut.

Kriegen Tiere die gleichen Medikamente wie Menschen?

Tabletten für den Hund

Ein Großteil der Medikamente ist bei Hunden und Menschen gleich. Zum Beispiel Schmerztabletten. Aber die Pharmaindustrie hat einen Markt erkannt und entwickelt genau dieselben Tabletten für den Hund, nur sind sie 10 Mal so teuer. Und als Tierarzt darf ich dann nur noch die teuren Hundetabletten verkaufen.

Kriegen alle Tiere die gleichen Medikamente?

Es ist vom Tier zu Tier unterschiedlich. Ein Hund kann mit einem Medikament geholfen werden, das eine Katze umbringen kann. Sie wirken sehr unterschiedlich. Auch in der Dosierung: Du brauchst eine Tablette und dein Dackel 5, obwohl er klein ist. Es hängt mit dem Stoffwechsel zusammen.

Haben Sie schon Tiere eingeschläfert?

Ständig. Ich habe diese Praxis seit über 30 Jahren. Fast alle Tiere, die ich als Baby gekriegt habe, habe ich auch eingeschläfert. Ich tue es, damit sie keine Schmerzen mehr haben, oder wenn das Tier so alt ist, kann nicht mehr sehen, hören, essen, pullern… In der Natur würden die Tiere so sterben.
Man darf auch kein gesundes Haustier einschläfern. Schwierig ist, wenn der Besitzer sagt, der Hund beißt ständig und ist aggressiv. Da muss man gucken, ob es stimmt oder nicht. Und wenn der Hund ruhig ist, dann kann man sagen, nein, das mache ich nicht.
Ich habe in der Regel kein schlechtes Gefühl den Tieren gegenüber, ich erspare ihnen Leid, aber es ist furchtbar für die Besitzer. Vor allem bei sehr alten Menschen, wenn man weiß, es war ihr letztes Tier, und sie sind jetzt ganz allein und traurig.

Zum Nachdenken

Möchten Sie uns noch etwas sagen?

Ja. Wisst ihr, was Qualzüchtung ist? Das Bulldoggen so krumme Beinen haben, dass sie nicht mehr laufen können, weil viele das niedlich finden. Alle Hunde, die keine Schnauze mehr haben, kriegen keine Luft mehr z. B. wie die Möpse. Man muss Tiere, auch Katzen züchten, die gesund sind. Wenn man sie nicht kauft, dann werden sie auch nicht gezüchtet.
Im Tiergesetzbuch steht: du darfst kein Wirbeltier töten ohne vernünftigen Grund. Aber Tiere zu essen ist ein vernünftiger Grund. Ich will kein Tier essen, das nur gezüchtet wird, um dick zu werden. Wie Esskaninchen im Drahtkäfig. Sie können sich nicht mal umdrehen.
Ich bin keine Vegetarierin, aber ich esse nur Tiere, die auf der Weide leben. Sie können leben, rumlaufen und irgendwann werden sie geschlachtet. Und auch Wild.

Interview: Gaïa, Ina, Julienne, Mathilde, Natalia und Rosalie
Zeichnungen: Chloé, Dagmara, Emilia, Gaïa, Jule, Mathilde, Natalia und Rosalie
Text, Zeichnungen und Fotos © Grand méchant loup | Böser Wolf

Du magst Tiere und deshalb heilst du sie